Ty Waltinger

Wien, AT 1962 - 2022

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bio

 

“Meine Malerei vergleiche ich mit Themen und Sequenzen in der Musik, zumeist mit Stücken von Bach. Meine Bilder spannen einen Bogen, die ähnlich den Goldberg Variationen Anfang und Ende zusammenführen, sich wieder verbinden und symbolisch zum Ursprung zurück kehren.

Jedes meiner Werke beginnt mit sehr genauen Überlegungen und entsteht ausschließlich im Freien unter Verwendung von dünnflüssigen Öl-Inversionen. Teilweise trage ich bis zu dreihundert Pigmentschichten oder mehr pro Bild auf! Dies passiert meist in monatelangen Zeitspannen und an ausgesetzten Orten und Gegenden, an denen -15 bis -20 Grad keine Seltenheit sind. Primäres Ziel meiner Malerei ist die Sichtbarmachung der natürlichen Entstehungsprozesse durch die radikale Beschränkung auf ihr Ureigenes. Meine in moderner Diktion „prozessuale Kunst“ ist von hoher Eigenart.

Vor Beginn des Malprozesses muss geklärt werden, welcher Natureinfluss auf das Bild einwirken wird, auch bezüglich seiner voraussichtlichen Intensität und Zeitdauer. Stehen diese Parameter für mich fest, ermittle ich das ideale Leinen wie auch dessen Grundierung. Meist aber verwende ich einen geschliffenen Halbkreidegrund, den schon Alte Meister bevorzugten, obwohl sich dieser unter freiem Himmel nicht immer optimal verhält. Erst dann kann ich die Farbpigmente definieren. Diese bestimmen in Folge die penibel dosierte Zusammensetzung der einzelnen Bindemittelsubstanzen.

Besonders wichtig ist, wie stark die Einwirkung der Naturkräfte sein wird. Ist die Zeitdauer des Prozesses annähernd abschätzbar, hat dies Auswirkung auf jede Pigmentemulsion. Die Temperatur spielt zusätzlich eine entscheidende Rolle, vor allem, wenn ein Cryo-Painting entstehen soll. Bei Minusgraden liegt auf der exakten Zubereitung der Farbmixturen großes Augenmerk, zumal jeweils 12 bis 15 Komponenten Verwendung finden. Diverse, feinst raffinierte Öle wie Rosmarinöl, Orangen- bzw. Zitronenöl, Nerzöl, Nelkenöl, Pinienöl, Arganöl, dazu Venezianisches Lärchenharz, Dammar, Schellack, Bienenwachs, Borax und Silberchlorid lassen bereits erkennen, dass die Vorarbeit eines Werkes ein komplexes, chemisches Wissen erfordert. Zweiter Hauptakteur ist die Natur selbst, die letztendlich in Verbindung mit etwas Glück entscheidet, ob ein Bild erfolgreich aus dem Malprozess hervorgeht oder nicht.

Die tiefe Auseinandersetzung mit Kunst brachte mich schon in frühen Jahren alten Farbpigmenten näher. Von allem Anfang an zogen mich vergessene Geheimnisse um deren Verwendung in den Bann. Ich entwickelte mich zu einem „Entdecker alter Welten“. Meine Welt der Farben und Historien wurde vielschichtiger. Das tägliche Auseinandersetzen mit Techniken Alter Meister half mir, das innere Licht alter Farbpigmente zu erkennen und in meinen Werken sichtbar zu machen. Dieses innere Licht war für viele Meister der Antike – hier besonders hervorzuheben der Meister Apelles – so wesentlich, dass sie ihre Bildoberflächen zusätzlich feinst polierten, um einen Glanz in der Licht- und Farbwiedergabe zu erzeugen. Dieses Licht war der Inbegriff für höchste spirituelle Wirklichkeit. Die alte Welt der Verarbeitung ihrer Materialien öffnete mir Perspektiven, die mich erkennen ließen, dass es so viel mehr in längst Verborgenem zu entdecken gilt. Selbst bei Schwarz, Blau und Weiß fand ich die unterschiedlichsten Farbtöne, in deren Anwendung zahllose Historien und Geschichten schlummerten. Die Werke von Fra Angelico, Giotto di Bondone oder des von mir so geschätzten Jan Vermeer bekamen für mich eine andere Bedeutung. Der eigene Strich eines Schiele, Landschaftsbilder Max Weilers, die kraftvolle Art Kazuo Shiragas, wie das Grazile des Moments von Takesada Matsutani zeigten mir, was Kunst bewegen kann: die Seele!

Wenn für mich das Medium Malerei selbst in hohem Maß auch die Botschaft ist, meine ich damit aber nicht nur Physik und Chemie, Farbe, Bindemittel und Verfahren, sondern eine im künstlerischen Prozess angestrebte Einheit von Materie, Zeit, Raum, Mensch und Kosmos.

Das Ziel meiner Malerei ist die Erfassung von „Echtzeit“ und Offenlegung der sich über „menschliche“ Zeiträume erstreckenden malerischen Prozesse. Aktuell bereite ich Malprojekte in Gletscherspalten, in der Sahara wie auch auf einem aktiven Vulkan vor.

Kunst bedeutet für mich, dass sie uns nährt, indem sie uns neue Welten erschließt und von anderen Welten träumen lässt! Sie bringt uns Schönheit und Weisheit näher und fokussiert unseren Blick. In meinem Fall verweist sie mich auf das Wissen der Vorfahren. Zugleich lädt sie mich ein, kraftvoll den Weg weiter voran zu gehen.”

- Ty Waltinger

 
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